Die Zerstörung
von
Holbeins Grabstein
durch die Nationalsozialisten
In seinem Testament hatte Holbein genaue Bestimmungen über
seine Bestattung, seinen Grabstein und die darauf anzubringende
Inschrift getroffen. So wollte er verbrannt werden, als Urne wünschte
er sich eine in Sargform mit christlichem Kreuz - oder aber eine
im Pariser Salon von 1913 ausgestellte Urne mit einem Jüngling
unter dem Titel Genie Ennebre. Die Urne sollte in einen
Steinsarg eingelassen werden, auf dessen Längsseiten neben
Familienwappen und Freimaurerzeichen auch folgende Inschrift anzubringen
war: Hier ruht in Gott Dr. Hans Holbein, Anwalt des Rechts,
Kämpfer für Freiheit des 3. Geschlechts.
Zu seinem Testamentsvollstrecker
hatte Holbein den Regierungsrat Roderich Stemmler, bestellt, einen
Mitarbeiter des Landesfinanzamtes in Rudolstadt, mit dem er freundschaftlich
verbunden war und der, wie sich Holbein ausdrückte, mit
meinen Gedankenkreisen und Bekanntenkreisen vertraut ist.
Stemmler bemühte sich in den folgenden Jahren redlich darum,
Holbeins Vermächtnis zu verwirklichen. Dabei zeigte sich schnell,
wie ambitioniert Holbeins testamentarische Verfügungen waren.
Denn bereits die vergleichsweise harmlose Bestimmung hinsichtlich
des Grabsteines sorgte bei den zuständigen Behörden für
Skepsis.
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Bedenken ruft
die Inschrift zum 3. Geschlecht hervor. So fragt der Weimarer Oberbaurat
Lehmann beim Bildhauer Bruno Schwarz am 7. Mai 1930 an, ob eine
Änderung der Schrift bezügl. des 3. Geschlechtes nicht
vorgenommen werden könnte. Als eine direkte Ablehnung
sei dieser Einwand allerdings nicht zu verstehen.
Ein Einwand, der aber doch auf den Kern eines Streites um das Thema
Homosexualität zielte, der bis heute virulent ist: Nämlich
auf die Frage nach ihrer öffentlichen Sichtbarkeit, die nur
allzuoft als anstößig empfunden wird. Ein
Streit, der sich 1930 allerdings noch über die Frage der Schriftgröße
lösen ließ. Denn Holbeins Grabstein wurde schließlich
wie im Testament bestimmt errichtet: Mitsamt der inkriminierten
Inschrift, diese aber in kleiner, wenig auffallender Schrift
ausgeführt, so wie es das Stadtbauamt verlangt
hatte.
Mit der NS-Machtübernahme
und dem Beginn der massiven Homosexuellenverfolgung ab 1934 änderte
sich die Lage dann aber grundlegend. Holbeins Grabstein wurde schließlich
zerstört, indem die Grabinschrift ausgemeißelt
wurde. Zur Begründung hieß es später: Sittlich
ernst Denkende mussten an einer solchen Inschrift selbstverständlich
Anstoß nehmen. Tatsächlich haben sich auch verschiedentlich
Leute bei dem Friedhofsverwalter Winkler über die Inschrift
beschwert.
Ziel der Initiative
Holbein-Stiftung ist die Rekonstruktion des Grabsteins auf dem Weimarer
Friedhof. In der Pflicht steht hier die Stadt Weimar, die als zuständige
Aufsichtsbehörde die historische Verantwortung für dessen
Zerstörung trägt. Im Aufruf der Initiative Holbein-Stiftung,
der inzwischen von mehr als 100 Personen und Organisationen aus
Politik und Gesellschaft unterstützt wird, wird die Stadt dazu
aufgefordert, für die "Wiederherstellung des geschändeten
Grabmals von Dr. Hans Holbein auf dem Weimarer Friedhof mit der
ursprünglichen Inschrift" Sorge zu tragen.
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